Heute nun – nach einer längeren Pause – der dritte Teil meines Essays über den Sinn der Jagd in unserer Zeit. Nachdem im zweiten Teil von Jagdgegnern die Rede war, geht es heute um Jagdkritiker. Obwohl Kritik an der Jagd im Prinzip gut und wichtig ist, denn ohne Antithesen zu bestehenden Thesen kann nichts vorankommen, geht von vielen Jagdkritikern eine fast noch größere Gefahr für die Jagd aus als von erklärten Jagdgegnern.
Jagdkritiker sind Menschen, die zwar nicht grundsätzlich gegen die Jagd, jedoch auch nicht damit einverstanden sind, wie sie heute betrieben wird. Sie sind großenteils Anhänger des Ökologischen Jagdverbandes (ÖJV), einer Organisation, die sich als Alternative zum der traditionellen Jägerei verbundenen Deutschen Jagdschutz Verband (DJV) versteht.
Die Devise „Wald vor Wild“
Im Grunde ist es natürlich legitim Kritik zu üben. Allerdings sollte eine solche auch fundiert sein, wenn man erwartet, ernst genommen zu werden. Jagdkritiker und Öko-Jäger sind zu einem großen Teil jedoch Förster und Waldbauern, die der Devise "Wald vor Wild" anhängen und daher nicht besonders gut auf Rehe und anderes Schalenwild zu sprechen sind, ausgenommen Schwarzwild, welches praktisch keinen Forstschaden macht, sondern sogar das Rehwild – in Öko-Försterkreisen auch schon mal als "kleiner roter Waldfresser" tituliert – dezimiert, indem es dessen Kitze verspeist.
Diesen Umstand merkt man auch der Propaganda der Öko-Jäger deutlich an. Sie verlangen eine erhebliche Reduktion der Schalenwildbestände und zwar durch Drückjagden, die massiv während stark verkürzter Jagdzeiten durchgeführt werden sollen. Auch das – den Förstern eigentlich genehme – Schwarzwild, also das Wildschwein soll dezimiert werden, damit will man wohl gut Wetter bei den Bauern machen, denen wiederum diese Wildart starken Schaden verursacht.
Jagen Öko-Jäger Niederwild?
Die Jagd auf Niederwild steht bei den Öko-Jägern nicht besonders hoch im Kurs. Interessant ist, dass der ÖJV offensichtlich pluralistisch geführt wird und seinen einzelnen Landesverbänden eigene Positionen erlaubt. Dies wird deutlich wenn man sich die Positionspapiere des ÖJV Sachsen und des ÖJV Baden-Württemberg liest. Während der erste zum Beispiel die Bejagung von Beutegreifern, also Raubwild als Hegemaßnahme kategorisch ablehnt, räumt der zweite der Bejagung des Fuchses in dieser Hinsicht eine gewisse Berechtigung ein. Zur Pelzgewinnung lassen beide die Jagd auf ihn sowie auf einige andere Haarraubwildarten gelten, möchten den Rest jedoch samt den Greifvögeln aus dem Jagdrecht nehmen.
Hanebüchenes von Leuten, die es besser wissen sollten
Die beiden wohl bekanntesten Jagdkritiker sind Elisabeth Emmert, die Vorsitzende des ÖJV und Wilhelm Bode, ein Nabu-Aktivist und hochrangiger Mitarbeiter des saarländischen Umweltministeriums. Die beiden haben ein Buch namens "Jagdwende" geschrieben, in welchem sie eine grundlegende Novellierung unseres Jagdgesetzes verlangen und zu begründen versuchen:
Wilhelm Bode, Elisabeth Emmert (1998): Jagdwende. Vom Edelhobby zum ökologischen Handwerk. München: Beck ISBN 3-406-42042-7.
Einige Forderungen der Öko-Jäger respektive der Jagdkritiker sind durchaus bedenkenswert, das Positionspapier des ÖJV Baden-Württemberg sogar im großen und ganzen recht vernünftig. Mit ihrem Buch leisten Bode und Emmert jedoch dem Gedanken einer ökologischen Jagd einen Bärendienst. Ähnlich wie die Publikationen von Jagdgegnern ist es gespickt mit Halbwahrheiten, Polemik und unwahren Aussagen.
... aber auch da, wo die Landschaft noch ein wenig strukturiert ist, darf man auf die Bejagung des Haarraubwildes nicht verzichten. Hecken und andere Strukturen bieten dem Haarraubwild genauso Deckung wie dem Friedwild
Zum Beispiel muss die Jagd der Kaiserzeit und vor allem die Schießpraxis von Kaiser Wilhelm II als Argument gegen unser heutiges, bewährtes Revierjagdsystem herhalten. Es wird dort behauptet, dass die Adligen der Kaiserzeit mit Hilfe dieses Revierjagdsystems die Feudaljagd von vor 1848 restauriert hätten. Dazu muss man folgendes wissen: Vor 1848 bestand das sogenannte fürstliche Jagdregal, welches dem Adel das alleinige Jagdrecht, auch auf dem Grund und Boden ihrer Untertanen zusprach. Seit der 1848er Revolution steht das Jagdrecht im Prinzip jedem Grundeigentümer selbst zu.
Zunächst wurde das tatsächlich so gehandhabt, dass jeder auf seinem Grundstück - und wenn es auch nur wenige Hektar groß war - selbst jagen durfte. Das hatte katastrophale Folgen für den Wildbestand und so schuf man in den 1850er Jahren das bei uns heute noch bestehende Reviersystem: Jeder, der zusammenhängenden Grundstücke von seinerzeit 300 preußischen Morgen, das sind in etwa die heute gültigen 75 Hektar, besitzt, verfügt damit über einen sogenannten Eigenjagdbezirk, den er selbst bejagen oder verpachten und den Erlös daraus selbst behalten kann.
Kleinere Grundflächen werden nach jagdlichen Gesichtspunkten zu sogenannten gemeinschaftlichen Jagdbezirken zusammengefasst, die mindestens 150 Hektar groß sein müssen, wobei jedoch eine Größe von mindestens 250 Hektar angestrebt wird. Die Eigentümer der zusammengefassten Grundstücke bilden die sogenannte Jagdgenossenschaft, welche die Bejagung organisieren oder den Jagdbezirk verpachten kann. Wildbret- oder Pachterlöse werden - abzüglich der Unkosten - unter den Jagdgenossen verteilt so diese nicht beschließen, sie anderweitig zu verwenden.
Dieses seit etwa 150 Jahren bewährte System wird nun von Jagdgegnern und auch von den Jagdkritikern wie Bode und Emmert als als Wiedereinführung bzw. Fortsetzung der Feudaljagd bezeichnet. Als Beleg dafür führen sie an, wie in der Kaiserzeit im Staatswald und in den privaten Forsten adeliger Großgrundbesitzer gejagt wurde und behaupten, der Kaiser und der Adel hätten hier die Feudaljagd fortgeführt.
Was die Autoren dabei jedoch geflissentlich übersehen ist die folgende Tatsache: Sowohl die Staatsforsten als auch der private Großgrundbesitz wurden und werden aufgrund des Jagdrechtes auf dem eigenen Grund und Boden, wie es seit 1848 gilt, von den Besitzern bejagt bzw. verpachtet. Auch ohne das in den 1850er Jahren eingeführte Reviersystem mit dem Zusammenschluss kleiner Grundstücke zu gemeinschaftlichen Jagdbezirken hätten sowohl der forstliche Fiskus als auch die adeligen Großgrundbesitzer weiterhin in den staatlichen bzw. privaten Forsten in ihrem eigenen Stil jagen können.
Auch wenn sie an Traditionen und - soweit das noch möglich war - an Jagdarten festhielten, die während der Feudaljagd entwickelt worden waren, änderte das nichts daran, dass sie nur noch auf ihrem Grund und Boden jagten und nicht mehr auf dem ihrer Untertanen. Die ganzen Schilderungen der Jagd in der Kaiserzeit tun also nichts zur Sache, sondern dienen lediglich dazu, auf polemische Art und Weise Stimmung gegen das gültige Jagdrecht zu machen, denn was bitte, hat die Form, in der Kaiser Willem Zwo vor hundert Jahren in den Staatsforsten jagte und irgendwelche Fürsten in ihren privaten, damit zu tun, wie heute in gepachteten Revieren durch die Pächter und ihre Mitjäger gejagt wird und ob das gut oder schlecht ist?
Kritiker sollten nur plausibles behaupten
Da Bode und Emmert die bäuerliche Jagd, wie sie nach 1848 tatsächlich aufkam, jedoch als Leitbild für eine moderne Form der Jagd ansehen, kommen sie nicht umhin, zuzugeben, dass diese bereits damals existierte, soweit die Bauern es nicht vorzogen, ihre Jagdbezirke zu verpachten um damit auch den Wildschaden auf den jeweiligen Pächter abzuwälzen, so wie das heute noch üblich ist.
Natürlich hat diese Bauernjagd existiert, denn natürlich hat seit 1848 niemand als die Grundbesitzer selbst zu entscheiden, wer auf ihrem Boden jagt. Bode und Emmert führen in ihrem Buch auch noch die Einschränkung bzw. das Verbot der Jagd an Sonntagen als Maßnahme an, mit der man den Bauern erschweren wollte, ihren eigenen Grund und Boden selbst zu bejagen. Falls dies tatsächlich beabsichtigt war, war die Maßnahme ein absolutes Eigentor: Zuvor wird nämlich im gleichen Buch erwähnt, dass mit dem Revierjagdystem der "Sonntagsjäger" aufkam, der Städter nämlich, der es sich leisten konnte auf dem Lande ein Revier zu pachten, dort aber aufgrund der damaligen Arbeitszeiten und Verkehrsmittel nur sonntags jagen konnte. Genau dieser wurde nämlich durch ein sonntägliches Jagdverbot an der Jagd gehindert und nicht etwa der Bauernjäger, der vor Ort wohnt und noch dazu seine Zeit frei einteilen kann, so dass er auch damals bereits unter der Woche auf die Jagd konnte.
Im Zusammenhang mit dem Lob der Bauernjagd (bei der bis zum Reichsjagdgesetz von 1934 in der Regel alles vom Singvogel bis zum Hirsch mit der Flinte, also mit Schrot, geschossen wurde) ist den beiden wackeren Streitern für die Ökojagd dann auch noch eine ulkige Peinlichkeit unterlaufen: Auf der Seite 133 des besagten Buches ist solch ein Bauernjäger des 19. Jahrhunderts abgebildet. Beim genauen Hinsehen stellt man fest, dass dieser außer der obligatorischen Flinte ein Schlageisen für Raubwild trägt, eine Falle also.
Dazu muss man wissen, dass der Ökologische Jagdverein die Fallenjagd strikt ablehnt. Sieht man noch genauer hin, stellt man fest, dass es sich sogar um ein Tellereisen handelt, eine Falle, die nicht sicher tötet, sondern in der Regel nur den Körperteil zerschmettert und festklemmt, mit dem das jeweilige Tier in die Falle geraten ist. Aus diesem Grund ist diese Art von Falle auch bereits seit 1935 verboten und wird nicht nur von Jagdgegnern und Jagdkritikern, sondern auch von "konventionellen" Jägern abgelehnt.
Hier war Meister Bockert am Werk, der Biber. So erfreulich seine Rückkehr an unsere Gewässer ist, es gehen bereits die ersten Klagen über Schäden ein. Über kurz oder lang wird man sich wieder Gedanken über eine Bejagung machen müssen. Oder sollen wir statt "Bejagung" lieber "Management" sagen, weil dieser Ausdruck weniger nach Pulver und Blei riecht?
Jagdgesetz-Novelle: Hintertür zur Jagdabschaffung
Eine Änderung unseres Jagdgesetzes ist absolut unnötig. Diejenigen Forderungen der Jagdkritiker, die tatsächlich berechtigt sind, ließen sich auch ohne Änderungen des Bundesjagdgesetzes erfüllen. Soweit tatsächlich eine Überhege von Schalenwild stattfindet, kann gegen diese auch auf dem Boden unseres derzeitigen Jagdrechtes vorgegangen werden. Einer dessen Grundsätze besagt nämlich, dass die Wildstände so zu halten sind, dass eine ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft stattfinden kann.
Eine detailliertere Regelung ist auf dem Gesetzeswege gar nicht möglich, da die tragbare Wilddichte nicht landes- oder gar bundeseinheitlich ist, sondern von den ökologischen Verhältnissen abhängt und von Revier zu Revier schwankt. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass für jedes Revier ein individueller Abschussplan aufgestellt wird, an dem nicht nur die jeweiligen Jäger, sondern auch die Land- und Forstwirte mitwirken. Die Besitzer und Leiter land- und forstwirtschaftlicher Betriebe haben also bereits ein effizientes Werkzeug in der Hand um gegensteuern zu können, wenn sie der Ansicht sind, dass ein zu hoher Wildstand auf ihrem Grund und Boden unverhältnismäßig hohe Schäden verursacht.
Ein weiterer beliebter Punkt der Jagdkritiker ist die Forderung nach Einstellung der Jagd auf Wildarten, die selten geworden oder sogar gefährdet sind. Dazu sollen diese Arten aus dem Jagdrecht herausgenommen und dem Naturschutzrecht unterstellt werden. Auch diese Forderung ist schlicht und ergreifend Blödsinn. Dass eine Tierart als Wild im Jagdgesetz aufgeführt wird, bedeutet noch lange nicht, dass sie auch tatsächlich gejagt werden darf. Die Jagd- und Schonzeiten der einzelnen Wildarten sind flexibel und können daher den jeweils aktuellen Verhältnissen angepasst werden, was von jagdfeindlichen Politikern auch schon mal missbraucht wird: Zum Beispiel wurde die Jagdzeit der absolut nicht gefährdeten Ringeltaube auf den Zeitraum zusammengekürzt, in dem sie als Zugvogel in den meisten deutschen Revieren gar nicht anzutreffen ist. Als Begründung dafür wurde die europäische Vogelschutzrichtlinie vorgeschoben, die jedoch kaum wirklich verbindlich sein kann, denn in England wird die Ringeltaube weiterhin scharf bejagt, da sie erheblichen Schaden in Gartenbaubetrieben anrichtet.
Fakt ist aber, dass die Streichung der Jagdzeit einer Wildart bei ihrem Zurückgang gesetzgeberisch sehr viel einfacher ist, als die Überführung in das Naturschutzgesetz - und natürlich auch die Wiedereinführung der Jagdzeit, wenn die Wildart sich erholt hat. In der Regel ist dies aber noch nicht einmal nötig, denn selten gewordene Wildarten werden von der Mehrheit der Jäger sowieso nicht bejagt sondern lieber gehegt, da sich die meisten Jäger nicht nur am Erlegen des Wildes erfreuen, sondern auch daran bestimmte Wildarten – vor allem seltene – zu "haben". So wird das Rebhuhn in den meisten Revieren, in denen es noch gelegentlich vorkommt, freiwillig geschont und auch beim Feldhasen hält man sich sehr zurück und schießt allenfalls dann und wann einen Küchenhasen.
Schlussendlich erlegt die Tatsache, dass eine Tierart als Wild im Jagdgesetz steht, auch ohne dass sie eine Jagdzeit hat, dem Jäger eine Hegeverpflichtung auf, der er um sie lieber nachkommt, als ja Hoffnung besteht, dass es wieder einmal eine Jagdzeit für die betreffende Art geben wird, wenn die Bemühungen um sie erfolgreich sind.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Jagdkritik Bode-Emmer'scher Observanz letztlich nicht einer wie auch immer gearteten Reform der Jagd dient, sondern deren Abschaffung. Soweit Jagdgegner mit Jagdkritikern zusammen arbeiten, tun sie dies nur, um eine Einschränkung der Jagd als ersten Teilerfolg zu erreichen. Im Endeffekt wollen die Jagdgegner natürlich auch noch den Öko-Jägern das Jagen verbieten. Die darunter befindlichen Förster dürfen dann, anstatt zu jagen, die Schalenwildbestände regulieren, indem sie dem Wild Antybabypillen verabreichen, wie von Jagdgegnern bereits allen Ernstes gefordert wurde.