Mittlerweile ist bei uns die installierte Leistung an Kraftwerken, die Strom aus regenerativen Quellen gewinnen, so hoch, dass die Regenerativen einen spürbaren Beitrag zur gesamten Stromversorgung leisten. Vor diesem Hintergrund sollte auch mehr und mehr Skeptikern klar werden, dass eine Vollversorgung mit Energie aus regenerativen Quellen schon lange keine Utopie mehr ist.
Auch bei 100% Regenerativen müssen die Lichter nicht ausgehen
Je näher nun das Ziel „100% Regenerative“ rückt, um so wichtiger wird es, sich Gedanken darüber zu machen, wie man mit 100% Regenerativen auch 100% Versorgung erreicht. Tatsächlich sind ein Energiemanagement mit fossilen Energieträgern und ein solches mit regenerativen Quellen zwei verschiedene Paar Stiefel. Daher wird mit der Umstellung auf Öko-Energie eine neue, komplexere Denkweise beim Sicherstellen der Versorgung notwendig.
Grund-, Mittel- und Spitzenlast
Das derzeitige Modell für die Planung der Energieversorgung kennt Grund-, Mittel- und Spitzenlast und Kraftwerke, die zur Deckung dieser Arten von Energiebedarf benutzt werden. Die Grundlast ist der Strombedarf, der praktisch immer vorhanden ist. Grundlastkraftwerke müssen sich nicht besonders gut regeln lassen. Man kann dafür Kraftwerke verwenden, die bei hohen Fixkosten geringe variable, also Kosten pro erzeugter kWh verursachen. Solche Kraftwerke arbeiten am wirtschaftlichsten, wenn sie ständig mit ihrer größten dauerhaft möglichen Leistung betrieben werden, da so die hohen Fixkosten am besten ausgenutzt werden. Typische Grundlastkraftwerke sind Braunkohle- und Laufwasserkraftwerke. Sie lassen sich zwar auch regeln – Wasserkraftwerke sogar sehr gut – sollten jedoch aus Gründen der hohen Fixkosten und bei Laufwasserkraftwerken auch, weil der Wasserstand meist gleichmäßig gehalten werden soll, möglichst gleichmäßig ausgelastet werden.
Konventionelle Kraftwerke können Energie quasi nach Wunsch liefern (Foto: Michael Wegner / pixelio.de)
Mittellastkraftwerke müssen etwas besser zu regeln sein. Sie werden vor allem dazu genutzt, die höheren Strombedarfe im Tagesgang zu decken. Dieser weist Zeiten auf, zu denen vorhersehbar mehr Strom benötigt wird, zum Beispiel zu den Zeiten wenn in Fabriken hauptsächlich gearbeitet wird oder beim Dunkelwerden, wenn überall die Lichter angehen. Steinkohlekraftwerke sind hier vor allem zu nennen, denn sie sind im billiger als Braunkohlekraftwerke, verursachen aber höhere Brennstoffkosten. Daher eignen sie sich dafür, nur zu bestimmten Zeiten benutzt zu werden, zu denen man dann die etwas höheren Kosten der kWh akzeptiert.
Spitzenlastkraftwerke schließlich sollen schnell anspringen und auch schnell wieder herunter zu regeln sein. Man verwendet sie, um auf Bedarfsspitzen zu reagieren, die nur kurz dauern und wenig vorhersehbar sind. Wenn hier nun die kWh auch etwas teuer ist, macht das nicht viel aus, denn man braucht sie ja verhältnismäßig selten. Für die Aufgaben von Spitzenlastkraftwerken kann man beispielsweise Gaskraftwerke einsetzen.
Normalerweise stehen die Brennstoffe für konventionelle Kraftwerke immer zur Verfügung. Daher können sie auch zu jeder Zeit Strom in dem Rahmen liefern, für den sie ausgelegt wurden. Das Stromanagement beschränkt sich deswegen hier darauf, vorausgeplant (Mittellast) oder ad hoc (Spitzenlast) auf den jeweiligen Strombedarf zu reagieren.
Das Problem der Volatilität
Anders bei der Stromgewinnung aus Regenerativen: Hier kommt zum schwankenden Bedarf noch ein schwankendes Angebot hinzu. Wind und Sonne sind so genannte volatile (flüchtige) Energiequellen. Man kann von ihnen nicht erwarten, dass sie immer dann verfügbar sind, wenn man sie benötigt. Diesen Aspekt muss man ganz besonders berücksichtigen, wenn man eine 100%ige Versorgung aus regenerativen Quellen plant. Und ohne sie wird es kaum gehen, denn vor allem die Windkraft stellt ein riesiges Potential dar, welches auch noch zu sehr geringen Kosten genutzt werden kann. Auch die Sonnenenergie hat ein immenses Potential, dabei jedoch den Nachteil, das sie sehr teuer und vor allem mit Halbleitern genutzt wird, die industriell und mit Umweltbelastungen hergestellt werden. Hier sollte man auf jeden Fall den Umweg über die Solarthermie nicht vernachlässigen, also auch an Solar-Stirlingmotoren und solarbetriebenen Dampfkraftwerken forschen.
Mit Windkraft kann man im Prinzip genug Strom erzeugen - nur eben nicht immer genau dann, wenn man ihn gerade braucht
Ein guter Mix
Nun sind nicht alle regenerativen Energiequellen volatil. Biomasse kann wie fossile Brennstoffe auch, vorgehalten und zum gewünschten Zeitpunkt verstromt werden. Besonders Biogas kann sehr flexibel sein. Zwar lässt sich der Gärprozess nicht schnell regeln, aber das entstehende Gas kann gut gespeichert und dann verstromt werden, wenn Strom gebraucht wird.
Mithilfe der Kombination von volatilen Quellen und Biomasse lassen sich flexible „Energieparks“ aufbauen: Bis zu einem gewissen Grad ergänzen sich bereits Wind und Sonne. Wenn die Sonne nicht scheint ist es öfter windig und umgekehrt. Allerdings gibt es auch Bewölkung ohne Wind genauso wie sonniges und gleichzeitig windiges Wetter.
Es bietet sich zum Beispiel an, Sonnen und Windkraftwerke mit Biogasanlagen zu koppeln. Solange Sonne und Wind genug Strom liefern, wird das gleichzeitig erzeugte Biogas in einem Gasbehälter gespeichert. Sowohl Solarzellen und Solar-Stirlingmotoren als auch Biogasmotoren lassen sich gut regeln. Wenn die Kapazität aller drei Kraftwerke und die des Gasbehälters aufeinander abgestimmt sind, kann ein ein solches Verbundkraftwerk praktisch zu jeder Zeit zwischen Null und der Höchstleistung flexibel in Anspruch genommen werden. Zumindest im kleinzelligen, dezentralen Stil – und genau so sollte Stromerzeugung aus regenerativen Quellen ja auch stattfinden – kann man so eine sehr einfache bedarfsgeführte Stromversorgung bauen, ohne an Grund-, Mittel- und Spitzenlast zu denken.
Stromspeicherung mit Windgas
Schade ist es bei einer solchen Anlage, dass Wind- und Sonnenenergie ungenutzt bleiben, wenn aus ihnen zusammen mehr Strom gewonnen werden kann,als im Augenblick benötigt wird. Um diesen Nachteil zu beseitigen, benötigt man eine Möglichkeit, überschüssigen Strom zu speichern.
Auch diese Möglichkeit ist in Sicht: Mit Hilfe der Elektrolyse und des Sabatier-Prozesses lässt sich mit Strom Methan herstellen, aus dem auch Erdgas besteht. Dazu benötigt man noch CO2, das jedoch im Biogas vorhanden ist, welches nichts anderes darstellt, als eine Mischung aus Methan und CO2.
Man muss das CO2 noch nicht einmal vom Methan trennen, sondern kann das Biogas direkt in den Sabatierprozess einbringen. Aus dem enthaltenen CO2 und dem zugeführten Wasserstoff entstehen Wasser und Methan. Wenn man das Wasser und gegebenenfalls noch ein paar sonstige Verunreinigungen abscheidet, hat man praktisch reines Methan, was wie gesagt das gleiche ist wie Erdgas.
Ist die Anlage nun so ausgelegt, dass mehr Methan erzeugt wird, als in wind- und sonnenarmen Zeiten für die Stromerzeugung benötigt wird, kann man den Überschuss anderweitig verwenden. Man kann ihn in das Erdgasnetz einspeisen, wo genügend Speicherkapazität vorhanden ist bzw. mit verhältnismäßig einfachen, längst beherrschten und bewährten Techniken zusätzlich geschaffen werden kann. Man kann ihn aber auch zum Autofahren verwenden, wobei Erdgasautos samt Betankungstechnologie im Gegensatz zu elektrischen bereit heute alltagstauglich sind. Eine solche Anlage auf genossenschaftlicher Basis betrieben könnte ein ganzes Dorf mit Strom, Heizwärme und Kraftstoff für Autos versorgen.
Biogas kann auch gespeichert und bei Bedarf verstromt werden, daher ist es bereits jetzt eine gute Ergänzung zur Windkraft. Bigaskraftwerke können aber auch CO2 liefern, welches man zur Erzeugung von ebenfalls speicherbarem Methan mittels überschüssigem Wind- oder Sonnenstrom benötigt. (Foto: Wilhelmine Wulff / pixelio.de)
Problem Wirkungsgrad der Windgaserzeugung
Ein Kritikpunkt an der Windgaserzeugung ist der verhältnismäßig geringe Wirkungsgrad von etwa 60%. Das hört sich zunächst nicht so gut an. Jedoch sollte man dabei bedenken, dass Windkraft an sich schon sehr billig ist und dass man bei Erzeugung von Strom mit konventioneller Technik immer auch den Energiebedarf für die Beschaffung, also Gewinnung, Transport und ggf. Aufbereitung, in die Betrachtung des Wirkungsgrades einbeziehen muss.
Dazu kommt, dass man mithilfe von Windgas praktisch jegliches Windaufkommen „mitnehmen“ kann. Man darf wohl davon ausgehen, dass bei einer Vollversorgung mit Strom aus regenerativen Quellen soviel Windkraft im Energiemix sein wird, dass es Zeiten mit mehr Windstrom gibt, als man braucht. Diesen sonst zu 100% „verschenkten“ Windstrom kann man mit Windgas dann wenigsten zum Teil nutzen.
Problem Kohlendioxid-Mangel
Von Skeptikern der Windgaserzeugung wird auch die Frage gestellt, wo das viele Kohlendioxid für die Methanisierung des Elektrolyse-Wasserstoffs herkommen soll. Sollte das CO2 für den Sabatier-Prozess jedoch knapp werden, gäbe es noch die Möglichkeit, das im Abgas der Biogasmotoren enthaltene wiederzuverwenden. Das ginge vermutlich besonders gut, wenn man anstelle von Luft den Sauerstoff aus der Elektrolyse für den Betrieb der Motoren nehmen würde. Ein zusätzlicher Vorteil dabei wäre, dass so auch keine Stickoxide entstehen würden.
Soweit das aus Windstrom erzeugte Methan wieder verstromt wird, kann ein kompletter Kreislauf stattfinden: Wasserstoff aus der Elektrolyse plus CO2 ergibt Methan und Wasser. Dieses ergibt beim Verbrennen im Gasmotor mit dem Sauerstoff aus der Elektrolyse weiteres Wasser und außerdem Kohlendioxid, also wiederum die Stoffe, die man für die Elektrolyse und den Sabatier-Prozess braucht.
Somit wäre eine reine Wind- oder Sonnenstromanlage mit Speicherung des überschüssigen Stroms mithilfe von Windgas möglich, die außer für eine Erstbefüllung und zum Ausgleich von Verlusten kein CO2, benötigt, sofern alles erzeugte Gas wieder verstromt wird. In dem Maße, in dem die Anlage jedoch auch Gas nach außen liefern soll, benötigt sie auch Kohlendioxid.
Ist eine Biogasanlage mit im Verbund, fällt im Gärprozess und beim Verstromen auch CO2 an. Hier könnte also in dem Maße auch Windgas nach außen geliefert werden, wie Kohlendioxid bei der Biogasherstellung und -verstromung entsteht. Wenn Windgas ohne eine an die Anlage zu dessen Erzeugung gekoppelte Biogasanlage erzeugt werden soll, kann dies aber auch auf jeden Fall überall dort geschehen, wo bei (industriellen) Prozessen Kohlendioxid entsteht – beispielsweise bei der Herstellung von Alkohol durch Gärung. Außerdem ließe sich sicher auch das CO2 aus Kompostieranlagen nutzen, wobei dies allerdings schade wäre, weil eigentlich alles, was zum Kompostieren geeignet ist, auch zu Biogasherstellung taugt.