Ein ganz typischer Fehler in Überlebenssitutationen besteht darin, sich zuerst um Wasser und Nahrung Gedanken zu machen. Diese beiden Dinge sind zwar auf die Länge gesehen auch sehr wichtig, das allerwichtigste aber ist zunächst, den Körper vor Auskühlung zu schützen. Zu wissen, wie man das tut, ist nicht nur in Notsituationen entscheidend, sondern auch immer dann nützlich, wenn man sich längere Zeit oder gar über Nacht im Freien aufhält, etwa bei der Jagd, beim Fischen oder auch beim Wandern.
Eine Faustregel für Waldläufer aller Art besagt, dass man ohne Sauerstoff drei Minuten, ohne Wärme drei Stunden, ohne Wasser drei Tage und ohne Essen drei Wochen auskommt. Entsprechend sind also die Prioritäten zu setzen. Da man davon ausgehen darf, dass man Luft bekommt - anderfalls ist ja eh` alles vorbei - ist das wichtigste also die Wärme. Außer vielleicht in den Tropen, wird es überall auf der Welt zu jeder Jahreszeit in aller Regel spätestens nach Sonnenuntergang so kühl, dass man sich dagegen schützen muss; ganz besonders gilt dies, wenn man sich hinlegt um zu schlafen.
Um sich wirksam gegen Auskühlung zu schützen´, sollte man zunächst wissen, auf welche Arten der Körper Wärme verliert. Dabei lassen sich fünf physikalische Vorgänge unterscheiden: Wärmeleitung, Wärmestrahlung, Konvektion, Respiration und Transpiration. Gegen jede dieser Arten von Wärmeverlust sollte man sich gegebenenfalls schützen können und daher geeignete Maßnahmen kennen.
Wärmeleitung
Dort wo der Körper mit kalten Oberflächen in Berührung kommt, verliert er Wärme durch Wärmeleitung. Das ist sicherlich jedem klar, denn jeder hat schon einmal einen kalten Hintern bekommen, weil er sich auf etwas Kaltes gesetzt hat. Das ist nicht nur unangenehm, sondern führt mit der Zeit zur Auskühlung des ganzen Körpers: Es bleibt nicht beim kalten Hintern, irgendwann friert der ganze Kerl oder das ganze Mädel. Dass man noch mehr Wärme verliert, wenn man sich beim Sitzen an etwas kaltes anlehnt, braucht wohl nicht extra gesagt werden.
Noch problematischer wird es beim Liegen, denn dabei ist die Fläche noch wesentlich größer, über die der Körper Wärme verliert. Besonders beim Übernachten kommt es also auf die richtige Unterlage an. Übernachtet man geplant und gewollt im Freien, verwendet man eine Iso-Matte. Kommt man unverhofft in die SItuation, muss man sich mit vor Ort vorgefundenen Materialien eine Art Matratze improvisieren.
Selbst beim Stehen verliert der Körper Wärme und zwar über die Fußsohlen. Deswegen ist es wichtig, dass bei Schuhen nicht nur der Oberschuh gut gefüttert ist, sondern auch die Sohle eine gute Wärmedämmung aufweist. In Überlebenssituationen wird man natürlich kaum Berg- oder Wanderschuhe für kaltes Wetter dabei und muss improvisieren. Gerade hierbei ist es aber wichtig, dass man auch auf eine gute Isolierung nach unten achtet.
Wärmestrahlung
Das warmblütige Tiere, zu denen auch der Mensch gehört, Wärme abstrahlen, ist wohl jedem klar. Es gibt ja auch technische Mittel, mit denen man Tiere und Menschen im Dunkeln oder hinter Tarnungen anhand ihrer Wärmestrahlung aufspüren kann. Was aber vielleicht weniger bekannt ist, ist die Tatsache, dass man über diese Strahlung eine Menge Energie abgibt. Umgekehrt vermindert es aber auch die Auskühlung erheblich, wenn man die Wärmestrahlung unterbindet. Das wird schnell klar, wenn man an die Rettungsfolien aus Aluminium denkt, oder an die Alufolie, mit der man ein Steak abdeckt, wenn man es nach dem Braten noch etwas ruhen lässt bevor man es serviert.
Auf den ersten Blick erscheint die Alufolie als Warmhalter ungeeignet, denn Aluminium ist ja alles andere als ein Wärmedämmmaterial, sondern im Gegenteil, sogar ein sehr guter Wärneleiter. Sowohl die Rettungsfolie als auch die Alufolie fürs Steak funktionieren aber. Weil sie locker aufgelegt werden, refleketieren sie die Wärme des damit zu schützenden Gegenstandes und bremsen dadurch die Auskühlung.
Wer im Winter schon einmal auf kaltem Untergrund eine Luftmatratze benutzt hat, wird sich gewundert haben, wie kalt das ist, obwohl eingeschlossene Luft an sich ein guter Wärmeisolator ist. In der Tat verliert der Körper die Wäme hier nicht durch Wärmeleitung, sondern durch Strahlung. Abhilfe schafft hier am besten ein Isomatte oder notfalls eine Unterfütterung der Luftmatratze mit vor Ort gefundenem wärmedämmendem Material. Dann liegt die Luftmatratze nämlich nicht mehr auf etwas Kaltem, dass die Wärmestrahlung aufnehmen kann.
Nicht zu unterschätzen ist auch der Wärmeverlust nach oben und zu den Seiten, vor allem bei klarem Himmel. Auch bei trockenem Wetter sollte der Übernachtungsplatz daher nach oben und zu den Seiten abgeschirmt sein. Eine Höhle oder eine überhängende Felswand, der Wald oder ein Gebüsch sind hier zu empfehlen. Ein Bodenmulde eignet sich auch, vor allem, wenn man sie nach oben noch mit einem Dach abschirmt.
Den positiven Effekt der Wärmestrahlung nutzt man mit einem Feuer. Zündet man es vor einer Felswand oder einem selbst gebauten Schirm aus vorgefundenen Materialien an und legt sich zwischen Feuer und Wand, nutzt man die Strahlungswärme besser aus.
Konvektion
Konvektion ist der Wärmetransport durch strömende Medien; im Zusammenhang mit dem Wärmehaushalt unseres Körpers geht es dabei vor allem um Luft. Natürlich kühlt auch strömendes Wasser den Körper aus. Da aber, wenn man sich im kalten Wasser befindet, schon eine große Menge Wärme durch Wärmeleitung verloren geht, spielt es hier keine so große Rolle, ob das Wasser strömt oder steht.
Im Falle der uns umgebenden Luft jedoch macht es einiges aus, ob diese steht oder sich bewegt. Nicht umsonst wird seit einiger Zeit in Wetterberichten auch die "gefühlte Temperatur" angegeben. Bei ihr ist der so genannte Windchill mit eingerechnet, also die Wärmemenge, die man durch die strömende Luft zusätzlich verliert. Eine gefühlte Temperatur von -15° C bei einer tatsächlichen von -10°C bedeutet, dass der Körper durch den Wind soviel mehr Wärme verliert, dass der gesamte Wärmelust dem entspricht, der bei stehender Luft von -15°C auftritt.
Wieviel die Konvektion, also die von bewegter Luft "geklaute" Wärme, ausmacht, merkt man daran, dass man auch an sommerlich warmen oder gar heißen Tagen frösteln kann, wenn man in der Zugluft sitzt. Vor Jahren, als man es beim Motorradfahren mit der Schutzkleidung noch nicht so genau nahm und im Sommer auch schon mal in Hemdsärmeln fuhr, legten schlaue Motorradfahrer dennoch zumindest einen Nierengurt an. Der wirkte dem Windchill in der Nierengegend entgegen, der den Körper so abkühlte, dass er an dieser empfindlichen Stelle gefährlich werden konnte, auch wenn man ihn auf der Haut noch gar nicht als unangenehm empfand.
Die Konsequenz in Überlebenssituationen heißt natürlich, dass man zusieht, dass man "aus dem Wind heraus kommt". Das gilt natürlich auch für Outdoor-Aktivitäten bzw. die Arbeit im Freien. Man kann beispielsweise bei erfahrenen Bauarbeitern beobachten, dass diese bei kaltem Wind wenn die Situation es erlaubt, zum Beispiel bei kurzen Arbeitsunterbrechungen oder bei Arbeiten die nicht zwingend an einer bestimmten Stelle ausgeführt werden müssen, immer eine windgeschützte Stelle aufsuchen.
Der Windschutzaspekt ist natürlich ganz besonders bei Rast- und Übernachtungsplätzen zu beachten. Im Gelände können Gehölze einen gewissen Schutz bieten, aber auch Bodenmulden können weiterhelfen, Höhlen ebenfalls. Für Übernachtungsplätze sollte man notfalls Windschirme aus am Ort vorhandenen Material bauen. Das gilt natürlich ganz besonders, wenn man an einem Platz länger bleibt, etwa, wenn man nach einem Flugzeugabsturz auf Suchtrupps wartet. Im Prinzip hilft das, was gegen Wärmeverlust durch Strahlung hilft, auch gegen die Auskühlung durch Wind.
Das gleiche gilt für Plätze, an denen man sich freiwillig aufhält. Der Jäger, der seinen Hochsitz mit einer massiven Brüstung ausrüstet, die als Windschirm wirkt, wird im Durchschnitt mehr Waidmannsheil haben, da er länger weil komfortabler sitzt.
Maßnahmen gegen den Windchill sollten aber auch bei der Kleidung ansetzen. Hier sollte es nirgends hineinziehen. Man achtet daher darauf, dass die einzelnen Kleidungstücke überall gut abschließen: Ärmel, Kragen, Hosenbeine... Die Hosenbeine kann man zum Beispiel in die Socken stecken, was zusätzlich bewirkt, dass sie nicht so leicht nass werden. Gute Outdoor-Kleidung hat natürlich überall Bündchen oder dergleichen, in unverhofften Überlebenssituationen muss hingegen improvisieren.
Respiration
Unter Respiration versteht man den Wärmeverlust durch die Atmung. Daran wird so mancher eher weniger denken und trotzdem spielt er eine Rolle, vor allem bei wirklich kaltem Wetter. Bei genauem Hinsehen leuchtet es jedoch ein, dass die Atemluft auf die Länge gesehen eine Menge Wärme aus dem Körper transportiert: Bei jedem Atemzug atmet man warme Luft aus und solche von Umgebungstemperatur wieder ein. Zudem ist in der Atemluft allerhand Wasser enthalten, das sich sehr gut als Medium zum Wärmetransport eignet. Wie sehr die Atmung als "Luftkühlung" wirken kann, sieht man daran, dass Hunde, die ja praktisch nicht über die Haut schwitzen können, ihren Wärmehaushalt mit Hilfe der Atmung regulieren.
Natürlich kann man auf das Atmen nicht verzichten. Man kann es in einer gegebenen Situation nicht einmal einschränken, denn man muss ja immer den jeweils benötigten Sauerstoff aufnehmen. Jedoch kann man oft Situationen vermeiden, in denen man viel Sauerstoff braucht. Oder einfacher ausgedrückt: Man sollte es vermeiden, sich unnötig anzustrengen.
Ein weiterer Ansatzpunkt wäre die Temperatur der eingeatmeten Luft. Ein Tuch oder ein Schal vor Mund und Nase nimmt der ausgeatmeten Luft ein wenig Wärme und gibt sie an die eingeatmete wieder ab. Noch besser ist es natürlich, wenn man für möglichst warme Umgebungsluft sorgt, also im Unterschlupf, der vor Wärmeverlust durch Strahlung und Konvektion schützt, ein Feuer anzündet.
Transpiration
Der Wärmeverlust durch Transpiration, also durch Schwitzen, ist wohl jedem bekannt. Das Schwitzen hat j schließlich den hauptsächlichen Sinn, für Kühlung zu sorgen. Problematisch wird es, wenn man in Situationen schwitzt, in denen das zur Wärmeregulierung nicht notwendig ist, man es aber aufgrund von Krankheit, Vergiftung oder sonstiger Beeinträchtigungen trotzdem tut. Häufiger jedoch ist der Fall, dass man aufgrund körperliche Anstrengung oder vorübergehender Wärmeeinwirkung schwitzt und dann noch nass ist, wenn die Anstrengung vorbei ist oder man wieder in die Kälte kommt. Das kann jederzeit vorkommen, wenn man zum Beispiel im Winter einen steilen Berg hinaufsteigt und dann - womöglich noch auf dem Gipfel im Wind - die Anstrengung vorbei ist. In dieser Situation wirkt der Wärmeverlust durch das Schwitzen zusätzlich zu dem durch Respiration bei der vorangegangenen körperlichen Anstrengung.
Ein ähnlicher Effekt kann im Alltag auftreten, wenn man im Winter warm angezogen zum Beispiel zum Einkaufen geht, sich länger in einem gut geheizten Kaufhaus oder Supermarkt aufhält und dann wieder in die Kälte tritt. Wichtig ist auf jeden Fall, dass man für bessere Kühlung sorgt, bevor man zu schwitzen beginnt, also Kleidungsstücke rechtzeitig öffnet oder auszieht.
Hilfreich ist hier auch Kleidung, die warm hält, den Schweiß aber gut verdunsten lässt. Das muss übrigens nicht unbedingt sündteure Funktionskleidung sein. Wolle erfüllt diesen Zweck auch recht gut. Besonders gut scheint hie Alpaca-Wolle zu sein: Ich besaß einmal einen dieser indianischen Alapaca-Wollpullover, die in den 80ern in der alternativen Szene Mode waren. Obwohl er so luftig gestrickt war, dass man hindurchsehen konnte, hielt er bei Kälte mollig warm und ließ einen bei Wärme auch nicht so schnell schwitzen.
Fazit
Es lohnt sich auf jeden Fall, ein wenig über Wärme, Wärmeverluste und ihre Vermeidung nachdenken. Abgesehen davon, dass das Wissen darüber in Extremsituationen lebensrettend sein kann, kann es einen im Alltag und bei der Arbeit vor einer unnötigen Erkältung oder gar bleibenden Schäden durch Unterkühlung bewahren - oder auch ganz einfach helfen, beim Jagen, Fischen oder anderen Aktivitäten im Freien auch bei kaltem Wetter mehr Spaß zu haben.