Die meisten Leute bezeichnen sie – zumindest, wenn sie im Garten auftauchen – als "Unkraut" und tun ihnen damit Unrecht: Wildkräuter sind wichtige Bestandteile unserer Ökosystem, meistens hübsch anzuschauen und in vielen Fällen sogar zu einem oder gar mehreren Zwecken zu gebrauchen. Und nicht nur krautige Pflanzen, sondern auch viele Gehölze liefern Dinge, die man für allerhand Zwecke verwenden kann.
Die Wegwarte ist nicht nur hübsch anzusehen, sondern man kann aus ihrer Wurzel auch Ersatzkaffee machen
Viele heimische Kräuter sind Heilpflanzen und haben, wie etwa das Johanniskraut oder Weißdorn, sogar recht beachtliche und zum Teil sogar wissenschaftlich nachgewiesene Wirkungen. Das ist der Pharmaindustrie ein gewaltiger Dorn im Auge und daher wird immer wieder probiert, den Gebrauch von Heilpflanzen mit Gesetzen einzuschränken.
Über den Gebrauch von Heilpflanzen bei schweren Erkrankungen durch Heilpraktiker und Alternativmediziner soll hier nicht weiter diskutiert werden. Es gibt hochwirksame Heilpflanzen, die gleichzeitig gefährliche Giftpflanzen sind, die nur von wirklich Sachkundigen eingesetzt werden dürfen und nicht in Laienhände gehören. Das sollte jedem klar sein.
Fest steht aber auch, dass bei vielen Alltagswehwehchen, leichten Erkrankungen Hausmittel und Kräuter gute Dienste leisten. Nicht zuletzt, weil sie in der Regel kaum oder gar keine Nebenwirkungen haben. Kamillentee bei Magenbeschwerden, Schafgarbe für kleine Verletzungen oder Dörrzwetschgen als mildes Abführmittel für Kinder sind ungefährlich, aber dennoch in vielen Fällen hilfreich.
Lecker, nahrhaft und nützlich
Aber nicht nur bei Unpässlichkeiten und leichten Erkrankungen leisten Kräuter gute Dienste: Bei Kräutertees etwa ist man wohl geneigt, an die Heilwirkungen zu denken, jedoch sind viele Kräutertees auch ganz einfach lecker. Vom Pfefferminztee etwa, der, so sagt man, sogar die Kreativität fördern soll, wollen wir gar nicht reden, weil ihn jeder kennt.
Die Schafgarbe heißt auch Soldatenkraut, weil sie sich zum Behandeln von kleinen Verletzungen eignet.
Die Zitronenmelisse ist wohl etwas weniger bekannt, gibt aber einen schmackhaften kalten Tee für heiße Tage. Haltbar ist sie zwar nicht, aber wenn man sie im Garten hat, steht sie in der warmen Jahreszeit ja jederzeit frisch zur Verfügung. Brombeerblätter hingegen gibt es das ganze Jahr, sie ergeben ebenfalls einen leckeren Tee und auch die ganz frischen Triebe an Fichtenzweigen kann man zur Teezubereitung verwenden. Praktisch allen Kräutertees werden aber auch Heil- oder zumindest gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben.
Auch der Löwenzahn ist weit mehr als nur ein "Unkraut"...
Wildfrüchte, vor allem Beeren sind ebenfalls Leckereien aus der Natur: Wilde Himbeeren etwa sind zwar kleiner als die kultivierten Sorten, dafür aber weitaus schmackhafter. Ebereschen- und Holunderbeeren lassen sich zu Marmeladen und Säften verarbeiten. Aus Hagebutten und Schlehen lässt sich (wie aus praktisch allen Früchten) Wein machen; man kann die Früchte aber auch mit Schnaps ansetzen um einen leckeren Likör zu erhalten.
Auch als Gewürze eignen sich manche Wildkräuter: Wilder Thymian, den man auf Trockenrasen findet ist ein Beispiel, ein weiteres der Bärlauch, der ja in den letzten Jahren recht beliebt geworden ist. So manche Wildkräuter lassen sich auch als Gemüse oder Salat essen: Unter anderem Sauerampfer, Brennnessel, Löwenzahn und sogar der bei Gärtnern sehr unbeliebte Giersch.
Dass manche Wildpflanzen sogar gefährliche Rauschgifte liefern, soll ebenfalls nicht unerwähnt bleiben, auch wenn man davon besser die Finger lässt: Tollkirsche, Bilsenkraut und einige andere Pflanzen wurden in alten Zeiten zu kultischen Zwecken verwendet, etwa als Bestandteile von Hexensalben. Vor Nachtschattengewächsen wie eben diesen beiden, muss gewarnt werden, denn sie sind starke Halluzinogene, die sich vor LSD oder Mescalin nicht zu verstecken brauchen. Experimente damit können leicht in der Psychatrie enden, oder mit schwersten Verletzungen, weil man glaubte fliegen zu können oder dergleichen, ganz abgesehen davon, dass Überdosierungen tödlich sein können. Also: Finger weg!
„Technische“ Anwendungen
Wenn man spitzfindig ist, könnte man den Gebrauch von Holz als Werkstoff, Brennmaterial oder zur Papierherstellung ebenfalls unter der Rubrik „Nutzung von Wildpflanzen“ einordnen, wobei von Gehölzen weit mehr als nur das starke Holz genutzt werden kann. Früher nutzte man nicht nur Bäume, sondern auch Sträucher sowie Halbbäume und zwar nicht nur als Reisig und Brennholz: Weidenruten werden ja heute noch zum Korbflechten genommen, aber früher nahm man auch Haselstecken für Zäune und dergleichen. Ein kräftiger Hasel- oder Schwarzdornast ergibt auch heute noch einen prima Wander- oder Bergstock. Blätter dienten als Einstreu im Stall und als Viehfutter, aber auch als Füllmaterial für die „Matratze“ im Bett, denn außer den bekannten Strohsäcken gab es auch mit Laub gefüllte Säcke als Unterlage für die Nachtruhe. Stroh- und Laubsäcke sind übrigens hygienischer als jede Matratze, denn die Füllung wird regelmäßig ausgetauscht und den Sack selbst kann man in die Kochwäsche geben.
Wald und Feld liefern dem, der sich auskennt, unglaublich viele Pflanzen, die sich zu den verschiedensten Zwecken verwenden lassen.
Nicht nur aus Besenginster lassen sich wie der Name schon sagt, Besen machen, sondern auch aus Birkenzweigen. Grobe Schneebesen kann man aus Schwarzdorn-, also Schlehenzweigen herstellen wie mir einmal ein älterer Ungarndeutscher verriet, den ich bei einem Reviergang traf, als er sich just zu diesem Zweck solche Zweige schnitt. Das ist übrigens genauso wie Blumenpflücken, Beerensammeln und so weiter erlaubt, denn die Entnahme solcher Dinge in haushaltsüblichen Mengen ist Bestandteil des Betretungsrechtes, das jedermann in Wald und Feld zusteht soweit man dabei nichts beschädigt.
Die von Unwissenden als übles „Unkraut“ angesehene Brennnessel dient zu weit mehr als nur zum Essen und Tee kochen: Brennnesselbrühe und Brennnesseljauche verwendet man im Garten und aus den Fasern der lassen sich sogar Textilien herstellen, die wie Hanfstoffe sehr fein und trotzdem haltbar sein können. Auch zu Schnüren und Netzen fanden die Fasern der Brennnessel früher Verwendung. Heute gehört die Herstellung von Schnüren aus diesen Fasern zu den fortgeschrittenen Survival-Künsten.
Spannendes Feld zum Entdecken und Experimentieren
Aus Wildpflanzen lassen sich also die tollsten Dinge machen – und das auch noch in aller Regel mit einfachen Mitteln. Bastler kommen genauso auf ihre Kosten wie Hobbyköche und Leute, die gesund leben und schön sein wollen. Manches ist eine Spielerei wie zum Beispiel das Weidenpfeifchen, das man am Badesee oder beim Picknick schnitzt, manches hat sogar praktischen Nutzen, wie zum Beispiel der selbst gemachte Besen.
Warum nicht einen Sichtschutz aus gepaltenen Haselruten selbst flechten, anstatt eine billige, chemisch imprägnierte Flechtwand im Baumarkt zu kaufen? Warum nicht für den Bauerngarten einen stilechten Zaun, ebenfalls aus Haselruten, bauen?
Brennnesselspinat schmeckt köstlich, ist nahrhaft und gesund. Löwenzahnsalat ist für den, der ihn nicht gewohnt ist, etwas streng im Geschmack, dafür knackig und vitaminreich. Giersch passt wie wiederum auch die Brennnessel gut in Rührrei oder Kräuterreis.
Auch im Garten sollte man die Wildpflanzen ruhig zulassen. Viele kann man im Kräutergarten gezielt anpflanzen, andere kommen von ganz allein. So mancher, der „Unkraut“ vertilgt, hat gar keine Ahnung, was für wertvolle Pflanzen er vernichtet. Zum Glück gibt es viele wertvolle Pflanzen im Überfluss: Zitronenmelisse, Pfefferminze und Bärlauch habe ich jedes Jahr wieder, ohne das ich mich darum zu kümmern brauche – Löwenzahn und Brennnesseln sowieso. Im Rasen schadet Spitzwegerich genauso wenig wie Rotklee oder Gänseblümchen. Natürlich muss man die Wildpflanzen nicht zwischen dem Gemüse haben, aber wenn man sie dort sowieso entfernt, kann man sie auch nutzen, anstatt sie direkt auf den Kompost zu werfen.