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Bekanntlich wird ja immer alles schlechter; zumindest hört man das dauernd - und zwar nicht erst heutzutage in den Zeiten von Globalisierung, Arbeitslosigkeit und Prekariat. Jammern und Schimpfen scheinen Lieblingsbeschäftigungen des Homo Sapiens zu sein - und die Jäger bilden da keine Ausnahme. Unter anderem hört man in Waidmannskreisen oft die Klage darüber, dass es keine Rehe mehr gäbe. Was ist da dran und wo sind die Rehe geblieben?
Capreolus Capreolus, zu Deutsch: Das Reh. Ist es womöglich eine bedrohte Art?
(Dieses Bild basiert auf dem Bild Capreolus capreolus (Marek Szczepanek)aus der freien Mediendatenbank Wikimedia Commons und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Der Urheber des Bildes ist Marek Szczepanek.)
Der Waldumbau, die Wiebke-, und die Lotharflächen sind der Grund, warum man in letzter Zeit keine Rehe mehr sieht. Früher – und dort, wo noch konventioneller Waldbau betrieben wird, ist das auch heute noch der Fall – sah man an Sommerabenden in der Regel jede Menge Rehe auf Wiesen und Äckern am Waldrand. Wenn man damals zur Jagd eingeladen wurde und z.B. einen Rehbock schießen durfte, hieß es typischerweise: „Hock dich auf die Eichenkanzel, da kommt so um halb acht ein braver Sechser, den darfst Du schießen.“ Und meist kam dieser Bock dann tatsächlich, zusammen mit anderen Rehen, so dass man in aller Regel verhältnismäßig schnell zu seinem Waidmannsheil kam.
Gibt es tatsächlich keine Rehe mehr?
Wo es Wiebke- und Lotharflächen gibt bzw. da, wo der Waldumbau bereits im vollen Gange ist, hat sich das jedoch mittlerweile geändert. Heute kann der wackere Waidgeselle auf der Eichenkanzel sitzen, wo bereits sein Vater und sein Großvater ihren Halb-Acht-Uhr-Bock geschossen haben und so lange warten, bis ihm der Jägerbart durch die Sprossen der Leiter bis auf den Boden und wieder herauf gewachsen ist. Weder der Bock noch ein sonstiges Reh lassen sich blicken.
Eingedenk seines Wissens um die scharfe Bejagung des Rehwildes im Staatsforst und im Großprivatwald hat der wackere Nimrod des Rätsels vermeintliche Lösung auch bald gefunden: „S´gibt koine Reah me, d'Förschter händ älle verschossa!“ klagt er dann am Stammtisch und seine Waidgenossen nicken traurig dazu mit ihren Köpfen.Auch viele nicht jagende Naturliebhaber ziehen den selben Schluss, da sie beim Abendspaziergang nicht mehr, wie das früher der Fall war, haufenweise Rehwild am Waldrand sehen. Scheinbar untermauert wird diese These dann auch noch durch die Tatsache, dass im Staatsforst und im Großprivatwald haufenweise Rehe zur Strecke kommen.
Warum schießen die Förster so viele Rehe?
Doch hier liegt auch schon der Denkfehler: Die großen Rehwildstrecken beim Forst werden Jahr für Jahr aufs Neue erzielt. Wo man aber immer wieder viel entnehmen kann, ohne dass es weniger wird, muss logischerweise auch viel da sein, so dass die Entnahme nicht an das Kapital geht, sondern lediglich die Zinsen abschöpft – in diesem Falle also den natürlichen Zuwachs des Wildbestandes.
Herr und Frau Reh: Das Reh ist nicht, wie tatsächlich viele auch heute noch denken, die kleine Frau vom großen Hirsch, sondern ein kleinerer Verwandter. Das männliche Reh heißt Bock und das weibliche in Süddeutschland Geiß und in Norddeutschland Ricke
Dieses Bild basiert auf dem Bild capreolus capreolus 2 Jojo.jpg aus der freien Mediendatenbank Wikimedia Commons und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Der Urheber des Bildes ist Jojo, Nickshanks.
Es muss also nach wie vor allerhand Rehe geben, aber warum sieht man sie nicht? Auch das ist relativ einfach zu erklären: In konventionell bewirtschafteten Wäldern mit Fichtenmonokulturen und Altersklassenwald gibt es für das Rehwild kaum Nahrung. Die sogenannten Dickungen, das sind diejenigen Anpflanzungen, bei denen die Bäume so groß geworden sind, dass sich ihre Äste berühren, bieten den Rehen zwar gute Einstände, also Verstecke, aber praktisch keine Äsung. Aus solchen Wäldern, muss das Rehwild abends auf die Wiesen hinaus ziehen um zu äsen, also Nahrung aufzunehmen.
Ganz anders aber ist das in naturnahen Mischwäldern und auf Wiebke- und Lotharflächen. Der dichte Unterwuchs aus allen möglichen Gehölzen mit seiner Krautschicht ist das arttypische Biotop des Rehwildes. Hier findet es nicht nur jede Menge Knospen, junge Triebe und saftige Kräutlein als abwechslungsreiche und nahrhafte Äsung, sondern auch die erforderliche Deckung. Daher wird es ihm auch nicht im Traum einfallen, dieses Paradies zu verlassen und sich in irgendwelche Gefahr zu begeben.
Wo der Wald auf diese Art und Weise nachwächst, findet das Rehwild sowohl Deckung als auch Nahrung . Warum sollte es da auf die Wiese hinaus gehen und sich erschießen lassen?
Die Folge: Obwohl es genug Rehe gibt, wird der Jäger auf der Eichenkanzel am Waldrand den ganzen schönen Sommerabend lang vergeblich auf den Halb-Acht-Uhr-Bock warten und auch der Förster, der im Wald jagt, muss sich ein bisschen mehr als früher einfallen lassen, um weiterhin Jagdbeute zu machen. Und natürlich sieht man auch als Spaziergänger abends kaum noch Rehe auf den Feldern, da diese es sich im Unterholz oder in einer Wiebkefläche schmecken lassen – ganz in der Nähe zwar, aber doch für Jäger und Spaziergänger unsichtbar.
Mit den Änderungen im Waldbau hat sich auch die jagdliche Arbeit des Försters geändert. Den weißbärtigen Herrn Oberförster mit dem gütigen Gesicht, dem herzige Kindlein Eicheln und Kastanien für die lieben Rehlein bringen und der die Fütterungen im verschneiten Winterwald beschickt, gibt es nicht mehr. Der moderne Forstmann steht wintertags mit der Drückjagdbüchse in der Hand zusammen mit seinem Jagdgästen im Wald und schießt auf die Rehe und Wildsauen, die erfahrene Treiber mit guten Hunden aus dem Unterholz drücken.
Große Strecken kann es dauerhaft nur geben, wenn der Bestand hoch ist. Die vielen Rehe, die im Forst jedes Jahr geschossen werden, sind also nicht der Grund dafür, dass man keine mehr sieht, sondern beweisen, dass es viele gibt.
Was dann auf der Strecke liegt, zeigt in aller Regel, was ein bereits wesentlich verbessertes Biotop zu leisten im Stande ist: Nicht nur, dass das Waidmannsheil der Jagdgesellschaft zahlenmäßig meist respektabel ist, man sieht auch an der Stärke der einzelnen Stücke, dass es den Rehen nicht schlecht geht. Die guten Wildbretgewichte sind die Folge der reichlich vorhandenen Äsung, aber auch der konsequenten Bejagung. Die sorgt nämlich dafür, dass die Anzahl der Rehe nicht übermäßig anwächst und so immer genug Äsung für alle da ist; gleichzeitig wird aber auch die Ausbreitung von Krankheiten erschwert und der Stress vermieden, der bei einer zu hohen Dichte auftreten würde.
Es ist aber andererseits auch so gut wie unmöglich, in gut strukturieren Wäldern mit reichlich Unterholz alle Rehe zu erwischen. So bleiben selbst bei scharfer Bejagung immer genug Rehe übrig um den Bestand der Population auch weiterhin sicherzustellen. Was wiederum bedeutet, dass recht kontinuierlich jedes Jahr allerhand Rehe geschossen werden können und müssen, die dann natürlich auf dem Tisch des Verbrauchers landen und so auch noch den Speisezettel um ein hochwertiges Nahrungsmittel bereichern.